Singen in Gemeinschaft, fern vom Alltag, mit alten Freundschaften und interessanten neuen Begegnungen - das ist eine Singwoche.
Zu den Singwochen sind Kinder, Familien, Jugendliche und Ältere herzlich eingeladen. Musikalisch weniger Erfahrene werden ebenso ein passendes Angebot finden wie semiprofessionelle Musiker. Bei aller Unterschiedlichkeit der Sing- und Lehrwochen besteht doch ihre Gemeinsamkeit darin, dass es eine Woche lang um das Wechselspiel von Muse und Muße geht. Darüber hinaus ist gesungener Glaube Bestandteil jeder Singwoche. Trotz aller musischen Anstrengung werden Singwochen erfahrungsgemäß als erholsame Urlaubswochen empfunden.
Singwoche vom 24.6. – 28.6.2019 auf der „Ortolan“ im niederländischen Wattenmeer
„Beim Klavierspielen nicht Föhnen…..“ so klingen die Hinweise unseres Skippers über die noch ruhig im Morgenlicht liegende „Ortolan“ im Hafen von Harlingen, Niederlande. Ein wunderschöner Zweimastklipper mit Klüver, Fock, Hauptsegel und Besan, wie wir noch lernen werden. Der Traditionssegler wurde 1897 gebaut und lässt sich richtig gut segeln, zu viele elektrische Geräte lassen die Bordelektrik allerdings ein wenig sensibel reagieren.
Es ist soweit, wir starten mit „Singen und Segeln“, einem neuen Singwochenformat der EKBO, das in diesem Jahr erstmals gefahren oder besser: gesegelt wird. Dreißig erwartungsvolle Gesichter sind auf unser junges und sehr sympathisches Skipperpaar Rocki Koch und Roman Meißner gerichtet, wir lauschen alle den für die meisten noch unbekannten Begriffen und Vorgängen - die bereits erfahrenen Segler nicken wissend und zustimmend.
Nachdem wir uns in den Kajüten häuslich eingerichtet, die Lebensmittel eingekauft und verstaut haben und aus dem Hafen geschippert sind, geht es bei herrlich warmen Wetter und Sonnenschein los: Segel auspacken, an die Seile hängen und kräftig ziehen, um das Großsegel zu setzen, Großschot anziehen oder fieren, Fock setzen, Besan…
In den nun folgenden fünf Tagen erleben wir Wind und Wetter, erfahren vieles über das Segeln im Wattenmeer, das wunderbar erlebnisreich, aber auch tückisch ist. Die Gezeiten sind vielschichtiger als erwartet und unser Programm richtet sich jeden Tag neu nach den Gegebenheiten aus. Unerwartet fahren wir fest, erreichen nicht gleich das angestrebte Ziel, zwei Tage mit ordentlich Wind schaffen uns Landgewohnte doch ein wenig, geben uns aber die Möglichkeit zu viel körperlicher Betätigung. Das Zusammenspiel an den Segeln, Backstagen und Winden klappt jeden Tag besser. So gelingt auch der sportliche Sprint nach Ameland, einer der äußeren Inseln im niederländischen Wattenmeer.
Chormusik zum Thema Segeln, Wasser, Wind, Wellen und Meer findet sich nach einigem Suchen so manche. Die Recherche führte mich zu Brahms, Mendelssohn, Schubert u.a. Komponisten, die interessante Motive und Harmonien für die Thematik gefunden haben. Unsere Besatzung ist wunderbar singfähig, vier- und fünfstimmige Madrigale klingen über das Meer, mal singen wir im Salon unter Deck, mal oben auf Deck mit Blick auf das Meer und die Inseln. Christian Lahusens „Komm Trost der Welt“ fängt die abendliche Stimmung genauso ein wie „Abends treten Elche von den Dünen“ aus dem Ostpreußischen, und Rheinbergers bekanntes Abendlied wird jeden unserer Abende beschließen. Ein Höhepunkt ist das Trockenfallen: unser Plattbodenschiff setzt gewollt auf, das Wasser verschwindet langsam, wir singen zur untergehende Sonne oder sammeln Muscheln auf einer Sandbank, das ist fast zu schön, um nicht kitschig zu klingen.
Chorsingen und Segeln - das passt zusammen, so haben wir es empfunden. Der Schiffsführer gibt Kommandos, der Chorleiter den Ton an, aber zum aufeinander Hören beim Singen und für ein harmonisches Miteinander auf engem Raum geben alle ihr Bestes. Chorklang und gute Aufgabenverteilung beim Segeln, gemeinsam Essen und auch miteinander zur Ruhe kommen - immer in Abhängigkeit von Wasser, Gezeiten und Wind - das hat uns verbunden. Diese Erfahrung begleitet und bewegt uns; einmal nicht alles planen zu können, das ist gut. In den abendlichen Andachten nehmen Uta Höck, Religionslehrerin und Claudia Mieth, Schulpfarrerin der EKBO die Impulse auf und geben uns Nachdenkliches mit auf den Weg.
Harlingen empfängt uns mit Sonne, Rockis „Hey Leute“ ruft zum letzten Einpacken der Segel und Skipper Roman erläutert uns noch einmal mit Blick auf die Seekarten unsere „Wasserfahrt“ in fünf musik- und segelgefüllten Tagen.
Wir treffen uns wieder im kommenden Jahr, so wünschen wir es uns.
Cornelia Ewald, bis 31.03.2021 Landessingwartin der EKBO